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Brief eines Wählers: Unser Gespräch am Infostand

  • von
Düsseldorfer Piraten am Infostand

Folgende E-Mail erreichte mich am 11. September (!) und ich möchte sie euch, den Lesern meines Blogs, nicht vorenthalten. Weil ich sie interessant und auch bezeichnend finde. Bezeichnend für viele Gespräche, die ich an Infoständen oder nach Podiumsdiskussionen geführt habe. Und interessant, weil in diesem Text vieles geschrieben steht, was auch mir auf dem Herzen liegt. Und ja, ich arbeite gerade daran, ihm eine Antwort auf seine Fragen zu geben, mit der er etwas anfangen kann. Denn ich stelle mir diese Fragen auch. Das geht über das Engagement in der Partei hinaus. Weil es sein muss. Die Veröffentlichung des Textes und des Twitternicks habe ich vorher mit ihm abgeklärt. Dafür vielen Dank, @schlaburz!

Hallo Patrick,

wir hatten uns am vergangenen Samstag zwei Mal am Infostand in Düsseldorf unterhalten.

Ich schreibe Dir, weil ich unser Gespräch interessant fand. Schon seit längerem interessiere ich mich für die Bereiche Datenschutz und Netzpolitik. Vor allem in letzter Zeit komme ich aber kaum zur Ruhe. Ich mache mir Sorgen um unsere Demokratie und unsere Grundrechte. Und ich muss sagen, ich bin verärgert, weil es keinen zu interessieren scheint. Weder die Bürger, noch die Politiker. Letztere sollten uns doch eigentlich „beschützen“, wenn derartige Vorgänge publik werden.

Mir kommt es so vor, dass der Großteil der Bevölkerung diese so wichtige Problematik einfach zu ignorieren scheint. Es scheint sie nichts anzugehen. Es ist ihnen wahrscheinlich zu abstrakt. Sie verstehen die Ausmaße und die Bedeutung nicht. „Ich bin ja nicht bei Facebook“, so ihre Denkweise.

Die Tatsache, dass unsere Kommunikation (wie mit Sicherheit auch diese E-Mail) flächendeckend überwacht und ausgewertet wird, halte ich persönlich für die größte Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung seit Bestehen der Bundesrepublik; vielleicht wirkt’s sich nicht heute aus und vielleicht auch nicht morgen. Aber keiner kann sagen, was in 20 Jahren sein wird. Den Menschen scheint die Weitsicht zu fehlen.

Aus diesen Gründen und weil ich denke, dass ich zwar bei der Wahl meine Stimme abgebe, das aber noch lange nicht heißt, dass ich dann nichts mehr zu sagen hätte, habe ich das dringende Bedürfnis zu handeln. Ich sehe es als moralische Verpflichtung an, einzuschreiten und sich einzumischen, wenn etwas so dramatisch schief läuft. Demokratie lebt von mutigen Menschen, die sich für ihre Rechte einsetzen. Auch wenn dies nicht dem Zeitgeist entspricht. Auch wenn es unbequem ist. So viele Menschen haben Opfer bringen müssen, damit wir unsere Freiheiten genießen können. Daher kann und will ich mich nicht einfach zurücklehnen und den Dingen ungehindert ihren Lauf lassen.

Nur wie soll das geschehen? Was kann ich machen? Ich habe lange und viel nachgedacht. Ich war schon bei Piraten-Stammtischen, habe mal auf Mumble reingehört, mal E-Mail-Verteiler abonniert. Bisher aber fehlt mir ehrlich gesagt der richtige Ansatzpunkt. Ich halte die Piratenpartei mit ihren Kernthemen für die momentan wichtigste Partei in Deutschland. Aber will ich Mitglied werden? Ich kann die Frage nicht mit „Ja“ beantworten; mit „Nein“ aber auch nicht.

Mir geht es nicht darum, Karriere in einer Partei zu machen. Ich möchte die Thematik den Leuten verständlich machen. Sie Ihnen näher bringen, ein Bewusstsein dafür schaffen. Bis vor zwei Jahren war ich längere Zeit Mitglied in einer der großen Volksparteien, mehrere Jahre nur als Karteileiche. Ich bin mir daher nicht sicher, ob die Mitgliedschaft in einer weiteren Partei das Richtige für mich wäre.

Ich habe darüber nachgedacht, ob es Sinn machen würde, eine Art „Aktionsbündnis Datenschutz“ zu gründen, das „Lobbyarbeit“ leistet. Aber nicht bei Politikern, sondern eher bei der Bevölkerung: Aufmerksamkeit schaffen, (verständliche) Informationen veröffentlichen, Interessierte einbeziehen und vernetzen.

Meiner Meinung nach ist die Gesellschaft momentan zwiegespalten: einem Großteil der Bevölkerung mit „durchschnittlichem“ Medienkonsumverhalten
(„Mainstreamkonsumenten“) steht eine vergleichsweise kleine, spezialisierte Gemeinde gegenüber. Diese Gruppe erkennt die Problemematik und diskutiert hauptsächlich im Internet, über Twitter und in Blogs. Dieser Diskurs ist wichtig und richtig, aber er ist in seiner Wirksamkeit beschränkt, wenn davon nichts nach außen dringt, er nur in seinem eigenen „Biotop“ stattfindet.

Diese Spaltung gilt es zu überwinden. Man wird sicherlich nicht jeden zu einem Digital-Avantgardisten machen können. Muss man aber auch nicht. Es
reicht, den Leuten die Kernbotschaften verständlich zu übermitteln, ihnen einen Bezug zu ihrer Lebenswelt zu bieten. Nur so kann die Abstraktheit überwunden und das nötige Bewusstsein geschaffen werden.

Kannst Du mir vielleicht sagen, ob es die (sinnvolle) Möglichkeit gibt, derartige Sacharbeit in Gruppierungen der Piratenpartei zu leisten, ohne
dass ich direkt Parteimitglied bin? Oder kannst Du mir vielleicht Ansatzpunkte oder Ansprechpartner nennen? Ich komme mir da echt ein bisschen ratlos und verloren vor.

Über eine Antwort würde ich mich wirklich freuen
@schlaburz

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